Sommerholzschlag- eine Bedrohung für unsere Tierwelt
Die Schweiz hat bereits einen sehr hohen Anteil an bedrohten Arten. Die Hälfte unserer 240 verschiedenen natürlichen Lebensräumen und mehr als ein Drittel unserer Pflanzen-, Tier-, Pilz- und Flechtenarten sind bedroht. Jede 20. Spezies ist vom Aussterben bedroht und steht kurz davor, sich zu den 242 Arten zu gesellen, die bereits ausgestorben sind.
Vor diesem Hintergrund haben einige Kantone mit der Abholzung im Sommer begonnen, also just im Zeitraum, in dem die Vögel nisten und die Säugetiere ihre Jungen aufziehen.
Baumbrütende Vögel und Fledermäuse sind durch die Sommerabholzung besonders gefährdet, darunter auch viele bedrohte Arten. Die Vogelwarte empfahl (früher), die Abholzung zwischen April und August einzustellen, um die nistenden Vögel zu schützen, während der Kanton Waadt darauf hinweist, dass die Abholzung von Mai bis August strikt vermieden werden muss, um die Fledermäuse zu schützen, deren Junge nicht fliegen können.
Aber nicht alle Kantone und Förster richten sich danach.
Im Wald am Nidauberg, an den Hängen des Berner Juras, wurde im Juni 2023 während drei Wochen auf 10 Hektaren (ha) ein waldbaulicher Eingriff vorgenommen, der die Baumdichte von 350 m3/ha auf teilweise 20 m3/ha reduzierte. Die Schäden am Boden waren beträchtlich, und die verbleibenden Bäume sind nun viel anfälliger für extreme Wetterereignisse wie Stürme und Hitzewellen. Einige Bäume sind bereits abgeknickt oder umgefallen. Mindestens 70 % (1 330 m3) der entnommenen Bäume wurden am Stück als Energieholz verbrannt.
Die Forschung zeigt eindeutig, dass Waldbewirtschaftung, bei der die Holzproduktion im Vordergrund steht, ein Hauptfaktor für den Verlust der biologischen Vielfalt ist. Durch den Sommerholzschlag werden nicht nur Nester, Eier und Jungvögel oder Fledermäuse vernichtet, sondern auch die Altvögel gestört, so dass sie ihr Verhalten ändern. Untersuchungen in Finnland haben ergeben, dass die durchschnittliche Vogeldichte in Laubwäldern bei 16 Paaren pro Hektar und in Fichtenwäldern bei 12 Paaren pro Hektar liegt.
In anderen Worten hat dieser eine Eingriff womöglich über 150 Vogelpaare beeinträchtigt.
Doch weder die kantonalen Behörden noch die von uns kontaktierten Naturschutzorganisationen wollten diese Praxis aufdecken, geschweige denn anprangern.
Im Gegenteil, die Abholzung wurde von kantonalen Förstern und Beamten sowie von einem Mitglied der Grünen Partei als „nachhaltig“ bezeichnet. Lokale und bekannte Naturschutzorganisationen weigerten sich ebenfalls, den Eingriff zu verurteilen, einige bezeichneten ihn sogar als „erfreulich“, weil er „lichtliebenden Arten“ zugutekomme. Der surrealste Kommentar kam von einem Reptilienexperten, der erklärte, dass es sich zwar nicht um einen Lebensraum für Reptilien handle, dass sich aber die Licht- und Wärmezunahme für Reptilien sicherlich positiv auswirke.
Während viele Förster nach wie vor von der Abholzung im Sommer absehen, behaupten andere, es gäbe keine Gesetze, die das Abholzen von Bäumen das ganze Jahr über verhindern. Das ist einfach nicht wahr.
Aber die immer größer und teurer werdenden Forstmaschinen müssen rentieren, und deshalb müssen sie wie Flugzeuge ständig eingesetzt werden, um die Anfangsinvestition zu amortisieren. Sie können sicher sein, dass der Holzschlag zunehmen wird, auch der Sommerholzschlag.
Der Sommerholzschlag hat nur mit der Rentabilität zu tun. Alle anderen Ausreden nennt man Greenwashing.
Die Frage bleibt jedoch bestehen: Warum lassen die Kantone diese Praxis zu und warum wehren sich die etablierten Naturschutzorganisationen nicht stärker dagegen?
Februar 2024