Revitalisierung in Rheinwald GR: Augenwischerei bis Greenwashing?
Als «historische Rodung», ausgeführt in Rekordzeit von 2 Forstarbeitern, wird in einem Artikel im Blick eine fragwürdige Rodung im Kanton Graubünden im Stil einer Abenteuergeschichte publiziert.„In der Gemeinde Rheinwald GR wird ein gesunder Fichtenwald auf einer Fläche von 109’000 Quadratmetern gerodet, um Platz für eine neue Fluss-Aue zu schaffen. Trotz des massiven Eingriffs unterstützen Bevölkerung, Bund und Naturschutzorganisationen das Projekt.“

Uferschutz und Renaturierung von zu stark begradigten Bachläufen wären zwar eine gute Idee. Doch da sind ein paar störende Fakten, die das Gesamtbild verunstalten:
- Eine so grosse Waldfläche einfach zu vernichten ist in Zeiten der Klimaerwärmung geradezu kontraproduktiv, zumal der Waldbestand sichtbar gesund war. Das heisst: standortuntauglich waren die Fichten dort also keineswegs, denn das Terrain liegt auf etwa 1500 m.ü.M., entspricht also bereits Bergwaldgebiet, wo die Fichte durchaus standortgerecht ist. Die Fichten leisteten gute Dienste als CO2-Speicher, Luftfilter und Wasserreiniger und auch als Bodenstabilisator, sonst hätten sie sich nicht so lange dort halten können.
- Wenn ein so grosses Waldstück in eine andere Form übergeführt werden soll (Fichtenbestand in Auenwald), dann in Etappen und nicht mit grossflächigem Kahlschlag. Es ist davon auszugehen, dass der Hinterrhein im renaturierten Bachbett das Terrain rückerobert, da das Wasser nun breitflächiger mäandriert. Ein Auwald wird höchstens kleinflächig Fuss fassen, wenn überhaupt.
- Vom neuen Lebensraum werde erwartet, dass er „eine Fluss-Aue werde, die einer grossen Anzahl an Tieren und Pflanzen ein neues Zuhause bieten soll“. Wunschdenken oder Augenwischerei? Es ist unwahrscheinlich, dass ein Auenwald an diesem Standort nachwächst, um den Fichtenwald abzulösen.
- Der Eingriff ist klar zu rigoros, als dass er aus Sicht des Naturschutzes tatsächlich gutzuheissen wäre (allerdings: pronatura und WWF sehen das gemäss Blickreport anders – dies ist allerdings eine andere Geschichte).
- Im Zeitungsartikel stand, dass die Massnahme bei der Bevölkerung gut ankomme; die Leserkommentare sprechen aber grossteils eine ganz andere Sprache.
- Eine solche Rodung muss vom BAFU bewilligt werden. Rodungen sind nach Waldgesetz (WaG) grundsätzlich verboten; vorbehältlich erteilte Ausnahmebewilligungen; wobei aber eine Ersatzfläche gleichen Ausmasses in der näheren Umgebung aufzuforsten ist. Wie oben dargestellt, wird hier wohl kein Wald nachwachsen, welcher der Walddefinition nach WaG und Waldverordnung (WaV) entspricht. Die mögliche Ausrede, der Auenwald werde die Ersatzaufforstung sein, ist also unzulässig.
- „Vor rund 60 Jahren wurde in Sufers ein Staudamm gebaut. Weil dort Wald verloren ging, wurde bei der Gemeinde Rheinwald aufgeforstet. So entstand der Wald, der aktuell wieder gerodet wird“ (Blickartikel). Die damals erbrachte Pflichtleistung der Ersatzaufforstung wird so einfach gestrichen.
- Man bekommt den Eindruck, dass es hier eine günstige Gelegenheit gab, an leicht zu schlagendes, hochwertiges Holz (Fichte) zu gelangen, verkauft als Renaturierung aber auf Kosten einer intakten Naturfläche.
September 2024
Beitragsbild: Symbolbild