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Klimafitter Wald – wer hat’s erfunden

Klimafitter Wald – wer hat’s erfunden

Beim Ricola ist’s klar: die Schweiz. Beim Modebegriff „Klimafitter Wald“ kämen auch andere in Frage. Es würde jedoch nicht überraschen, wenn wir auf der Suche nach dem „Modeschöpfer“ dieses Brain-Childs wieder im Land des Ricola landen würden. Doch beide Modewörter haben etwas gemeinsam: sie vergehen fast auf der Zunge.

Vorab sei’s gesagt: Solche und ähnliche Kunstbegriffe kommen von der Holz- und Forstlobby, um ihre übermässigen Holzeinschläge zu rechtfertigen. Man gibt vor, die heutigen Wälder seien für den Klimawandel schlecht aufgestellt, und müssten „klimafit“ getrimmt werden. Und wen wundert’s: Die Forstbranche wittert Holz-Geld-Gewinn und setzt auf ihre alte Leier: Auflichten der Wälder durch Schlagen von möglichst vielen Bäumen (jenseits jeglicher Nachhaltigkeit). Dann Bepflanzen der fast kahlgeschlagenen Flächen mit klimafitteren Baumarten. Doch nichts schadet dem Wald mehr als das. Solches Vorgehen ist naturwidrig und nützt nur dem Profit der einschlägigen Branchen Holz und Forst. Geht‘s ums Geld, kennen deren Erfindungsreichtum kaum Grenzen. Dabei wäre der Grundgedanke, den Wald bei der Bewältigung der Schwierigkeiten mit dem Klimawandel zu unterstützen, durchaus gut. Um dem Wald im Rahmen des Möglichen zu helfen, klimafit zu werden, wäre aber schonendes Vorgehen angezeigt.

Maschinen für den klimafitten Waldbau

Wir stehen vor einem dunklen Mischwald aus vorwiegend Buchen und Fichten, der sich in der Kulminationsphase befindet. Das Vorgehen heute sieht oft so aus: Mit schweren Harvestern den Bestand kahlschlagen. Ein paar wenige Übersteher belassen, so hat’s ja der Förster, der beim Holzanzeichnen dabei war, befohlen. Das musste er, denn Kahlschläge sind gesetzlich (WaG / WaV) in der Schweiz verboten. So lässt sich die Kahlschlag-Mogelpackung als „Pflegeeingriff“ mit Schirmschlagweiser Verjüngung bezeichnen. Von den geschlagenen Hölzern werden die Stämme, die zu Bauholz verkauft werden können (falls überhaupt), aussortiert. Der Rest wird als Industrie-, Papier-, aber vor allem als Energieholz (2022 wurden in der Schweiz über 74% des geschlagenen Hartholzes verbrannt) auf’s Polter gezerrt. Dies mit schweren Rückemaschinen, die den Boden erneut verdichten. Dann schlägt die Stunde der klimafitten Bäume. Die aus Pflanzgärten angekarrt Jungbäume werden auf die Kahlschlagfläche (mit Überständern) gepflanzt. Der vormalige Wald liegt nun am Wegrand auf einem Haufen und reinigt weder die Luft, noch kann er so Photosynthese betreiben- schlimmer noch, dem Boden entweicht nun für die kommenden 20 – 30 Jahre CO2. Auf der kahlen Fläche spriessen jetzt vermehrt Gras (zur grossen Freude des Schalenwilds wie Rehe, Hirsche usw.) Brombeeren und reichlich Neophyten. Gras und die zarten Triebe der Bäumchen aus den Baumschulen bereichern den Speiseplan des Schalenwildes und lassen dessen Bestände stark anwachsen. Die Forstbranche stöhnt ob der unrentablen Arbeit des Mähens und Anbringens von Schutzvorrichtungen gegen Wildverbiss an Jungpflanzen. Der Ruf nach Jägern und mehr Abschuss von Wild wird laut.

Lehre aus diesem Fiasko: So nicht! Aber so wird’s momentan üblicherweise gemacht. Doch um den Wald zukunfts- und klimaresistenter zu optimieren, sollte man erst zurückblicken und aus vergangenen Fehlern lernen: Stürme wie jene vom August 1981 schweizweit; vom Februar 1984 im Kanton Bern oder jener vom März 1986 in der Nordostschweiz; besonders aber der Orkan Lothar nach Weihnachten 1999 diese Katastrophen sind die Antwort der Natur auf jahrzehntelange Fehlplanung im Waldbau. Genauso, wie die zunehmenden Erdrutsche.

April 2024