„Licht auf den Waldboden bringen“ schadet dem Wald
„Licht auf den Boden lassen“ zur Förderung der Biodiversität war eine der ersten Ausreden der Forstlobby, die bis heute rege missbraucht wird.
So behauptet beispielsweise die GürbeForst AG im Kanton Bern: „Da Wälder mit geschlossenem Kronendach für lichtbedürftige Arten im Durchschnitt eher zu dunkel sind, geht es häufig darum, mehr Licht und damit Wärme auf den Waldboden und auf Kleinstrukturen wie Ast- oder Steinhaufen zu bringen. Klassische Beispiele dafür sind die naturnahe Pflege von Waldrandbereichen oder das Erhalten und Fördern seltener Waldgesellschaften.“
Um es ganz klar zu sagen. Das Hauptziel der professionellen Forstwirtschaft ist es, Holz zu produzieren. Die Industrie interessiert sich weitaus weniger für die biologische Vielfalt, führt selten ein Arteninventar und versäumt es in der Regel, die berühmten lichtliebenden Arten, die sie fördern möchte, tatsächlich zu identifizieren.
Nehmen Sie das Naturschutzgebiet Belpau, das an die Bundeshauptstadt Bern grenzt. Laut der Website des Kantons sind seine Wälder „lichtdurchflutet“ und bieten „neue Lebensräume“ für eine vage Auswahl von „Amphibien, Wildbienen und Schmetterlingen“.
Die Wälder des Belpau sind lichtdurchflutet, weil sie intensiv abgeholzt werden, hauptsächlich zur Gewinnung von Biomasse. Das Gleiche geschieht in Naturschutzgebieten in der ganzen Schweiz und in ganz Europa.
Es überrascht wenig, dass ein Kahlschlag nicht der Artenvielfalt zugutekommt, wie auch ein Gericht in Holland kürzlich befand.
Die Schweizer Wälder gehören zu den artenreichsten Lebensräumen des Landes und beherbergen über 20’000 Tierarten und rund 130 Baum- und Straucharten. Bestimmte Waldarten, insbesondere Insekten, profitieren zwar davon, dass mehr Licht auf den Waldboden fällt, doch sollten waldbauliche Eingriffe zur Förderung „lichtliebender“ Arten gezielt und nur in geringem Umfang erfolgen und die Bedingungen auf Lichtungen nachbilden. Sie sollten keine Kahlschläge von mehreren Hektar umfassen, wie dies zunehmend der Fall ist, auch in Naturschutzgebieten und im Mittelland, wo die Laubwälder geradezu dezimiert werden.
Es stimmt auch, dass Stein- und Asthaufen einer Vielzahl von kleinen Säugetieren, Amphibien und Insekten Schutz bieten können. Angesichts der völligen Eliminierung der Deckung aber sind sie nur symbolische Gesten, die einen kleinen Rest Schutz zu bieten. Die zurückgelassenen Asthaufen bestehen in der Regel aus wertlosem Schnittgut und weisen nicht den Durchmesser auf, den beispielsweise die gefährdeten Holzkäfer benötigen.
Außerdem lassen Eingriffe, die dem Lichteinfall dienen, auch Wärme und Wind herein, was zu erhöhtem Stress, Krankheiten, Windwurf und Windbruch führt. Die Buche (Fagus sylvatica) ist der häufigste Laubbaum in der Schweiz und Buchenwälder sind besonders anfällig für Trockenheit und Sonnenbrand.
Zwar gibt die professionelle Forstwirtschaft vor, verantwortungsbewusst mit anderen Lebewesen umzugehen, doch die Wälder, die sie in unterschiedlichem Maße durch Abholzung hinterlässt, stellen brüchige, künstliche Systeme dar, deren interne Funktionsweise und Netzwerke gestört sind. So versteht sich von selbst, dass radikale Abholzung sowohl der Gesundheit der Ökosysteme als auch der biologischen Vielfalt zuwiderläuft.
Die Behauptung, dass Wälder, insbesondere solche in Naturschutzgebieten, eine „intensive Bewirtschaftung“ benötigen, um die biologische Vielfalt zu fördern, ist nicht nur falsch, sondern geradezu verlogen.
Februar 2025